Hundebesitzer:innen praktizieren es mit Fremden: Man kennt sich nicht, aber die Tatsache, dass jeweils ein Vierbeiner im Haushalt vorhanden ist, verbindet irgendwie. Man spricht inmitten der anonymen Metropole miteinander, nickt sich freundlich zu, die Hunde beschnuppern sich.
Vergemeinschaftung ist ein zentrales Element in funktionierenden Gesellschaften. Gemeinsamkeiten verbinden, schaffen Sympathie.
Als ich letztens mein Straßenrad vor einer Einkaufsstätte wieder entkettete, inmitten etwa zehn weiterer Räder, blickte ein Herr zu mir rüber und rief mir zu „das ist aber ein schönes Rad!“. Erfreut über den netten Kommentar, den man in Berlin zugegebenermaßen doppelt würdigt, entgegnete ich ein herzliches Danke. Mit Blick auf sein Mountainbike konnte ich ehrlich das Kompliment zurück geben.
Es ist nicht nur deswegen erwähnenswert, weil im ruppigen Straßenverkehr jede Nettigkeit Balsam auf die geschundene Städterseele schmiert. Sondern ebenso, da sich das Vorurteil hartnäckig hält, Rennradfahrer und Mountainbiker seien Gruppierungen mit starkem Distinktionsbedürfnis.
Gibt es also in Berlin, dessen Umgangston im Straßenverkehr zunehmend feindlich wird, doch positive Auswüchse?
Immerhin radelt man hier selten alleine. Und gemeinsames Leid ist geteiltes Leid. Man fühlt sich sicherer in einer Gruppe Gleichgesinnter auf der Straße, zwischen der meist stehenden, aber wenn fahrenden, dann rücksichtslosen Blechlawine. Man warnt hinter sich Radelnde, wenn der nächste Zweitereihefalschparker umschifft werden muss.
Vor kurzem ist der Fahrradklimatest des ADFC auch für Berlin erschienen und die Ergebnisse zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht, unsere Städte – und insbesondere die Hauptstadt – radfreundlich zu gestalten.
Längst haben Arbeitgeber:innen erkannt, dass sich Mitarbeiter:innen über subventionierte Bewegung freuen. Längst steigt das Angebot an Mieträdern, Lastenradverleihinitiativen, Überlegungen zu sicheren Radwegen – ja sogar der Verkehrsminister hat sich zu einer Radfahrer-Sicherheit-Kampagne, über deren Sinnhaftigkeit sich sicherlich debattieren lässt, hinreißen lassen. Längst überfällig ist eine nachhaltige Lösung für die Stimmen der vielen, die sich in der Stadt lautlos und sicher radelnd fortbewegen möchten. Dass das möglich ist, zeigen diverse Städte unserer europäischen Nachbar:innen.
In Berlin tut sich kaum etwas Sichtbares. Oder doch? Vorm Supermarkt lachten der unbekannte Herr und ich uns kurz an und stellten fest: Jedes Rad ist schön. Drahteselvergemeinschaftung.
Am 3. Juni ist übrigens der europäische Tag des Fahrrads – bzw. Weltfahrradtag. Sehen wir uns auf dem Sattel?