Bleibt zuhause!

Seit Wochen dominiert dieser Appell den politischen Diskurs, die Berichterstattung und die sozialen Medien. Überlegungen zu den Auswirkungen, die die Corona-Krise auf unser Zuhause hat, sind bisher allerdings Randnotizen geblieben. Die aktuellen Beschränkungen des sozialen Lebens führen jedoch nicht nur zu Veränderungen des öffentlichen Raums, sondern eben auch des privaten. Während das Fitnessprogramm nun im Wohnzimmer stattfindet und sich die Küche per Videokonferenz in eine virtuelle Bar verwandelt, ist das Zuhause für viele in diesen Tagen mehr denn je ein Ort der Arbeit. Dabei verlagern sich die ohnehin beweglichen Grenzen zwischen Öffentlichem und Privaten neu. So ist der Blick mit der Webcam des Bürocomputers hinein in die Wohnungen der Kolleg*innen Teil eines neuen Arbeitsalltags geworden.

Ich selbst habe die Heimarbeit bis heute vermeiden können und bin, weil das immer noch möglich war und ist, weiterhin ins Büro gekommen. Warum? Mein Zuhause ist mein persönlicher Rückzugsort. Nur ungern möchte ich dort arbeiten. Außerdem vermittelt mir mein gewohntes Arbeitsumfeld ein kleines bisschen Normalität, wenn doch eigentlich alles anders ist. Trotzdem hätte ich jederzeit ins Homeoffice umziehen können, denn ich habe ein sicheres Zuhause, wo ich mit ausreichend Platz ungestört meinen Aufgaben nachgehen kann. Was jedoch ist mit denjenigen, denen das nicht möglich ist? Wo Eltern das Arbeitszimmer fehlt und Kinderbetreuung und Heimarbeit nun gleichzeitig zu bewältigen sind? Was ist mit denen, deren dunkle Wohnungen keine Balkone oder nur winzige Hinterhöfe bieten, um mal kurz Pause an der frischen Luft zu machen? Und was ist mit denen, die kein sicheres oder gar kein Zuhause haben?

Zuhause zu bleiben als Maßnahme gegen die Pandemie folgt einer bürgerlichen Idee der eigenen vier Wände und ist nur schwer umzusetzen, wenn die eigene Wohnung beengt und kein Ort der Sicherheit und Gesundheit ist. Die aktuelle Politisierung des Zuhauses verlangt daher nicht nur Investitionen in Sozialprogramme zur Bekämpfung gesellschaftlicher Schieflagen, sondern jetzt erst recht auch die Versorgung aller Menschen mit ausreichendem, gesundem und bezahlbarem Wohnraum. Darüber hinaus müssen wir uns die grundsätzliche Frage stellen, wo wir die (neuen) Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem ziehen möchten. Wie viel unseres privaten Raums möchten und können wir öffentlich machen, ohne unser Zuhause als persönlichen Rückzugsort zu gefährden?

Das Denkmal und die Demokratie

Heute ist internationaler Denkmaltag. Im Rahmen unserer Blogserie zum Wettbewerb „Gebaute Orte für Demokratie und Teilhabe“ möchte ich daher über den Zusammenhang von Denkmälern und Demokratie nachdenken.

Der Begriff des Denkmals versammelt zum einen historische Zeugnisse wie schützenswerte Kulturgüter, Statuen oder Monumente und zum anderen Mahnmale und Gedenkstätten, die an bestimmte Ereignisse erinnern.

Denkmäler spielen für die Demokratie eine doppelte Rolle. Erstens gehören sie zum öffentlichen Raum, in dem ein bedeutender Teil unserer Demokratie ausgehandelt wird. Sie sind historisches Kulturerbe und Sehenswürdigkeiten und daher – mit den Worten der Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann – „internationale Orte der Begegnung“, die den Kontakt mit dem „Anderen“ auf mehreren Ebenen ermöglichen. Im besten Fall lernen wir also bei ihrem Besuch zum einen etwas Neues über die Vergangenheit und tauschen uns dabei zum anderen (direkt oder indirekt) mit Anderen aus. Zweitens erinnern Denkmäler an historische Gegebenheiten und geben gegenwärtigen demokratischen Diskursen einen Rahmen. Sie sind also Gedächtnisstützen, die auf ein Ereignis, eine Person oder einen historischen Zustand verweisen, somit Teil der gesellschaftlichen Erinnerungskultur und bieten Orientierung für politische und normative Aushandlungen in der Gegenwart.

Unsere politische Kultur baut auf ein Fundament, das aus der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit besteht: Nur die Anerkennung vergangener Verbrechen, die insbesondere zu Zeiten des Nationalsozialismus begangen wurden, ermöglicht es uns, eine plurale, tolerante und offene Gesellschaft zu pflegen. Erinnern und Gedenken sind maßgeblich für unsere kollektive demokratische Identität und helfen dabei, uns klar gegen antidemokratische Haltungen zu positionieren. Dieser demokratische Konsens, der als Grundlage für jedwede weitere gesellschaftliche Aushandlung fungiert und zur Bildung einer demokratischen Zivilkultur führt, beruht auf einem kollektiven Gedächtnis. Gegenwärtig aufkommende (verbale) Angriffe auf die Erinnerungskultur, Denkmäler und Gedenkstätten sind als Angriff auf ebendiesen demokratischen Konsens zu verstehen.

In erster Linie ermöglichen Denkmäler, die an politische und humanitäre Verbrechen erinnern, die Anerkennung des Leids der Opfer und sollten nicht politisch instrumentalisiert werden. Dennoch verlangen die Erinnerungen, die durch Denkmäler im Bewusstsein gehalten werden, nach politischen Konsequenzen in der Gegenwart. Sie verlangen danach, dass wir unsere Geschichte ernst nehmen und daraus lernen. Aktuelle gesellschaftspolitische Ereignisse müssen immer wieder in diese Kontexte der Vergangenheit gesetzt werden, um den demokratischen Konsens zu wahren. Denkmäler helfen dabei und bilden deshalb eine wichtige Stütze für unsere Demokratie.

Sonntags, halb acht

Früher, vor Corona, fand ich den Sonntagmorgen, so gegen halb acht, eine tolle Zeit, um kurz rauszugehen, Brötchen kaufen oder so. Kaum Autos, wenig Leute auf der Straße. An der Ecke ein Zeitungsverkäufer, das war‘s. Durchatmen, die Hektik des Alltags war kurz weg. Ein besonderes Gefühl von Freiheit, Lächeln, Vorfreude auf ruhige Stunden zuhause, Zeit mit der Familie, vielleicht joggen, was lesen, spielen mit den Kindern, mal sehen.

Jetzt, wo es immer Sonntagmorgen halb acht ist, finde ich das keinen besonderen Moment mehr. Oder anders: Es ist dauernd besonders aber nicht positiv, nein, von den Möglichkeiten her eher das Gegenteil. Nichts ist mehr freiwillig, sondern in einem elementaren Sinne unfrei. Die paar Leute, die ich zurzeit um „dauer-halb-acht“ auf dem Weg von zuhause zum Büro (noch darf ich ja dorthin) treffe, bewegen sich – mich eingeschlossen – in merkwürdig konvexen Bögen – voneinander weg. Einige tragen Mundschutz, andere Gummihandschuhe, manche beides. Auf halbem Weg komme ich an der Statue von Adenauer am gleichnamigen Platz vorbei. Sie ist mein Sinnbild dieser Tage. Warum? Erstmal zeigt sie Konrad Adenauer schnellen Schrittes gehend, mit wehendem Mantel in Richtung Ku’Damm. Irgendwie scheint er auf dem Weg, bloß weg hier, nicht stehenbleiben. Das passt ganz gut auf unsere Situation, denke ich. Der Grund dafür war freilich ein anderer: Adenauer war nicht sehr beliebt bei den Berliner:innen, weil er einst Bonn zur Hauptstadt machte. Das ist lange her, mittlerweile ist Berlin Hauptstadt, …Friedliche Revolution, Maueröffnung, Wiedervereinigung… All das geht mir kurz durch den Kopf. Doch da ist noch mehr: Konrad Adenauer war eben auch erster Bundeskanzler in einer Zeit, wo die Menschen hier einen Weg versuchten, debattiert, gerungen und gekämpft haben, um aus der Katastrophe nationalsozialistischer Diktatur in eine demokratisch verfasste Bundesrepublik zu finden. Föderal, vor allem frei sollte sie sein. Jeder sollte nach seiner Façon glücklich werden.

Nein, ich kippe hier nicht das Kind mit dem Bade aus. Die Kanzlerin hat in ihrer Rede mehr als deutlich gemacht, dass es nur absolut ausnahmsweise und nur so lang wie nötig Beschränkungen geben kann – um Menschenleben zu retten. Dennoch zeigt Corona, wie leicht sich demokratische Grundrechte einschränken, ja abschalten lassen, um der Sache willen. Einfach so, morgens um halb acht irgendwo eine Straße entlang schlendern, Menschen begegnen – ohne Gedanken, sich auf eine Bank am Adenauerplatz zu setzen, gar neben jemanden, den ich noch nie gesehen habe. Ein Eis essen, radeln, Bus oder von mir aus Auto fahren, die Gedanken treiben lassen, mich treffen, am Platz! Mit fünf, nein zehn Freunden zur Party gehen, nachhause oder in Eile zum nächsten Termin, was soll’s. Ich kann es! Diesen Wert, öffentlichen Raum frei zu betreten, ihn zu nutzen – ja, natürlich gibt es ein paar Rechte, genau dafür: Regeln im Straßenverkehr, soziale usw. –, spüre ich dieser Tage fast schmerzlich. Egal was kommt, dieses Wertgefühl nehme ich mit: Es gibt da etwas allzu selbstverständlich gar nicht Selbstverständliches, das es zu verteidigen gilt, im demokratisch verfassten Raum am Adenauerplatz und sonst wo auf der Welt.

Das Virus, der Raum und die Demokratie

Vor gut einem Monat haben wir im Auftrag der Wüstenrot Stiftung den Wettbewerb „Gebaute Orte für Demokratie und Teilhabe“ ausgeschrieben. In diesem Zuge haben wir auch eine kleine Blogserie angekündigt. Die aktuelle Situation ist uns etwas in die Quere gekommen. Trotz oder gerade wegen des Stillstands von Urbanität wollen wir ab nun auf unserem Blog reflektieren, wie Demokratie und Teilhabe mit Stadt und Architektur zusammenhängen.

Die Auswirkungen des Coronavirus begegnen uns überall. Das öffentliche Leben ist weitestgehend lahmgelegt. Viele der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie können nur umgesetzt werden, indem Rechte, die teils über Jahrhunderte hinweg mühsam erkämpft wurden, außer Kraft gesetzt werden: das Recht auf Versammlungsfreiheit, das Recht auf Bildung, die Reisefreiheit, das Recht auf Asyl. Ohne Frage, die Einschränkungen der Bürger:innenrechte zum Schutz tausender Menschenleben sind in der aktuellen Situation richtig und wichtig. Nichtsdestoweniger sollten wir all das nicht unhinterfragt geschehen lassen.

Die gegenwärtige Kontaktsperre lässt uns nicht nur spüren, wie wichtig unser gewohntes soziales Miteinander für unser Wohlbefinden ist. Corona zeigt uns auch, welche Bedeutung gebaute, materielle Orte und der öffentliche Raum in unserem alltäglichen Leben haben. Schulen, Jugendclubs, öffentliche Plätze, Kirchen, Theater und so vieles mehr – all das sind Treffpunkte und Lernorte für demokratische Haltung und Orientierung, die in Zeiten des Social Distancing nicht mehr erlebbar sind.

Demokratie braucht Begegnung. Demonstrationen, das Treffen im Verein, die Podiumsdiskussion an der Universität, das gemeinsame Innehalten an einem Mahnmal. Solche Begegnungen fallen nun weg. Aber auch zufällige Begegnungen kommen kaum noch vor: Kinder auf dem Spielplatz, Touristen am Brandenburger Tor, Fahrrad-, Fuß- und Autoverkehr im Straßenraum. Differenz aushalten und Konflikte aushandeln sind zentrale Momente von Demokratie. Gebaute, materielle Orte und der öffentliche Raum bieten die Voraussetzung für diese Momente. Ich hoffe, dass wir diese Orte nach Corona noch mehr zu schätzen wissen und sie mit konstruktiven Diskussionen und demokratischen Forderungen füllen.

Kinder- und Jugendbeteiligung auf Augenhöhe?

Während Beteiligung allgemein deutlich an Stellenwert gewonnen hat und zunehmend im Bewusstsein von Politik und Verwaltung verankert ist, werden junge Menschen in der Stadtplanung oft vergessen. Kann sich das ändern? Darüber diskutierten am 19. Februar Vertreter:innen aus Sozialarbeit, Forschung, Polizei, Verwaltung und Planung in der Stadtwerkstatt am Alexanderplatz. Das Projekt INERSIKI hatte zum Fachaustausch „Lebenswelt Stadt – Kinder und Jugendliche zwischen Nutzung, Aneignung, Verdrängung und Sicherheit im öffentlichen Raum“ eingeladen.

Neben Fragen der „städtebaulichen Kriminalprävention“ und der Ambivalenz des Sicherheitsgefühls von Kindern und Jugendlichen stand die Frage der Beteiligung auf Augenhöhe im Fokus der Veranstaltung. Hier herrschte weitgehende Einigkeit: Die Einbindung junger Menschen in Planungsprozesse werde meist leider stark vernachlässigt. Und das, obwohl sie rechtlich vielseitig verankert ist. In der UN-Kinderrechtskonvention (Artikel 12), dem Sozialgesetzbuch (§ 8), dem Baugesetzbuch (§ 3) – die Berücksichtigung und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in alle sie betreffenden Entscheidungen taucht in einer Reihe von Gesetzestexten auf. Es mangelt jedoch an einer kontrollierenden Instanz und an Konsequenzen bei Nichtbeachtung.

Aus den Reihen der Sozialarbeiter:innen kam zudem Kritik über die Formate, welche für die Partizipation gewählt werden. Allzu oft seien Ansätze paternalistisch (siehe Untertitel) oder einseitig. Für eine adäquate Einbindung von Minderjährigen müsse man sich vor allem Zeit nehmen. Einmalige Workshops zu einem festen Zeitpunkt mit klarem Ergebnisziel führten nur zu einem oberflächlichen Eindruck, welcher den komplexen Ansprüchen unterschiedlicher Altersgruppen und Cliquen nicht gerecht werden könne. Gefragt sei ein offenes Ohr an ganz verschiedenen Orten und Raum für informelle Gespräche auf Augenhöhe.

Dafür fehlen in der Planung jedoch leider oft die finanziellen Mittel und der Wille. Dabei werden die Kosten durch die langfristig zu erwartenden positiven Effekte deutlich relativiert: Identifikation mit dem Lebensumfeld, demokratische Legitimierung der Planung, Generationengerechtigkeit und eine Passgenauigkeit der Angebote, mit der Fehlplanungen und damit unnötige Kosten vermieden werden können. Nicht zuletzt bieten auch konfliktreiche Prozesse die Chance, Jugendliche der politischen Bildung näherzubringen und damit Politikverdrossenheit frühzeitig vorzubeugen. Wer Demokratie lernen soll, muss Demokratie erleben!

Mit diesem Plädoyer kehre ich gerne zurück ins Büro, um den Stimmen junger Menschen auch weiterhin und zukünftig noch mehr Gehör zu verschaffen.

Mehr Theater für Karlshorst

Vier Nachmittage habe ich dieses Jahr im Bühnenturm des Theaters Karlshorst verbracht. Nein, ich habe nicht den geheimen Wunschtraum, Schauspielerin oder Bühnentechnikerin zu werden. Ich durfte im Auftrag der Stiftung Stadtkultur einer Aufgabe nachgehen, die ich auch im Rahmen der Urbanizers-Projekte häufig übernehme: Werkstattmoderation. Allerdings hat die Stiftung von der Einladung der Diskussionsteilnehmer:innen über die inhaltliche Vorbereitung bis hin zum Catering alles, was zu einer gelungenen Veranstaltung gehört, selbst gemacht. Solche Gastmoderationen übernehme ich ausgesprochen gerne. Sie bedeuten eine andere Form der Verantwortung als in unseren eigenen Projekten.

Das Theater Karlshorst braucht eine neue Identität, es muss schrittweise denkmalgerecht saniert werden und soll sich in den nächsten Jahren als neuer Kulturort für Kiez und Gesamtstadt etablieren. Da kulturelle Orte Impulsgeber für urbanes Leben sind, hat das eine Menge mit Stadtentwicklung zu tun. Doch nicht nur aufgrund des thematischen Bezugs zur Arbeit von Urbanizers hat mir die Moderation großen Spaß gemacht. Denn es war beeindruckend, was in den Werkstattgesprächen alles entwickelt wurde und das Leitbild für das Theater nun bereichert. So hat die Vision der Stiftung für das Theater zahlreiche gewichtige Stimmen der Berliner und bundesweiten Kulturlandschaft nach Karlshorst geholt. Viele von ihnen waren vom ersten Theaterbau, der in Deutschland nach 1945 entstanden ist, so begeistert, dass sie spontan Projektideen entwickelten. Ginge es nach den Beteiligten der vier Werkstätten, könnte schon Anfang 2020 eine Interimsnutzung starten. Die wird zwar noch ein paar Monate auf sich warten lassen. Aber ich bin froh, an ihrer Vorbereitung mitgewirkt zu haben und bleibe gespannt, wie sich der Ort entwickeln wird.

Dialog Hermannplatz

Dass sich Arbeits- und Privatleben nicht immer so einfach voneinander trennen lassen, ist allseits bekannt. Unlängst zeigten mir meine Erfahrungen zum Umbau des Karstadtgebäudes am Neuköllner Hermannplatz, wie sehr das auch für die Stadtentwicklung gilt.

Als Mitarbeiter von Urbanizers sind Konzeption und Moderation von Beteiligungsverfahren Teil meines Arbeitsalltags. Als Berliner engagiere ich mich in solchen jedoch auch als Bürger. Dieser Perspektivenwechsel stellt für mich einen spannenden Mehrwert dar.

Beim Umbau des Karstadtgebäudes nun, geht es eigentlich um einen Neubau. Und das regt viele auf, die darin nur Profitinteresse oder Ressourcenverschwendung der österreichischen Immobilienaktiengesellschaft Signa sehen.

Ich selbst sehe das ambivalent. Als Wahl-Neuköllner sind mir Gebäude und Platz eng ans Herz gewachsen. Veränderung deshalb lieber nicht! Fachlich betrachtet wiederum erscheint diese Abwehrhaltung durchaus einfältig, denn Veränderung kann auch Verbesserung bedeuten. Zu fragen wäre jedoch, wie diese gerecht und sozial verträglich gestaltet werden kann, ob ehrliche Beteiligung unter dem Einfluss eines privaten Investors überhaupt möglich ist oder was ein Beteiligungsverfahren, das so spät nach Planungsbeginn gestartet wurde, überhaupt leisten kann.

Aufgegriffen wurden diese Fragen auch von einer kürzlich gegründeten Nachbarschaftsinitiative. Mit Signa reden wolle man jedoch prinzipiell nicht. Doch während Signa derzeit Sprechstunden veranstaltet und besagte Initiative Protestaktionen plant, wäre aus meiner Sicht genau das ein erster Schritt in die richtige Richtung. Tatsächlich müsste ein solcher Dialog jedoch von einem Außenstehenden moderiert werden, womit wir wieder bei meiner eigenen Arbeit wären.

Es bleibt aktuell offen, wie sich die Lage entwickeln wird. Ich bin daher gespannt, wie es weiter geht am Hermannplatz und das sowohl aus persönlicher als auch aus fachlicher Sicht.

#NichtMeinErbe

Ab 12 Uhr bin ich heute nicht mehr im Büro. Morgens habe ich dem Sohn bestätigt, dass er mit meinem vollen Einverständnis die Schule verlassen kann, um am Internationalen Klimastreik teilzunehmen. Die kurze Diskussion darüber, ob Schüler:innen streiken können oder nicht, ist zuhause mittlerweile ein liebgewordenes Ritual. Das Team von Urbanizers streikt heute nicht, aber wer kann und will, nimmt Freizeitausgleich. Unsere Hausbank hat eine Kampagne zur Mobilisierung von Unternehmen für die Klimastreiks gestartet, der wir uns gerne anschließen. Denn bei unseren vielen Projekten für Stadt und Region sagen wir unseren Auftraggeber:innen immer wieder, dass der Schutz des Klimas höchste Priorität haben muss. Die Begleitforschung zur Energetischen Stadtsanierung, aber auch unser gerade abgeschlossenes Leitbild für den neuen Stadtteil Köln Kreuzfeld sind Beispiele dafür.

Urbane Waldgärten – Die Rückkehr in den Garten Eden?

Gärtnern hat bei mir immer überwiegend negative Assoziationen hervorgerufen: Den elektrischen Rasenmäher meiner Mutter alle zwei Wochen über den handtuchgroßen Rasen hin- und herschieben oder mit der linken Hand das Stromkabel in den richtigen Momenten über die Maschine schwingen, um es möglichst nicht zu durchtrennen. Bei gutem Rasenwachstum zweimal im Prozess den Grasschnitt Richtung Biotonne schleppen.

Dabei geht es auch so viel schöner – das zeigt mir aktuell der Beteiligungsprozess zur Planung eines urbanen Waldgartens. Ein Waldgarten orientiert sich, wie der Name schon sagt, in seinem Aufbau an der Natur: dem Wald. In mehreren Schichten werden Bäume, Sträucher, Kräuter und Wurzeln so kombiniert, dass sie sich wie in der Natur gegenseitig unterstützen und regulieren. Dieser Aspekt unterscheidet den Ansatz vom herkömmlichen Urban Gardening. Heraus kommt ein wunderbar vielseitiger, hoffentlich ertragreicher, bunter und wilder Garten. In dem aktuell laufenden Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben der Universität Potsdam geht es vor allem auch darum zu untersuchen, wie eine Gruppe größtenteils unbekannter Menschen gemeinsam den urbanen Waldgarten plant und schließlich anlegt und bewirtschaftet. Aushandlungen, Gemeinschaftsbildung, Solidarität und frisches Obst, Gemüse und Kräuter in Einem.

Der Ansatz dieses Projekts erlaubt es mir, eine ganz andere Perspektive auf Gartenarbeit einzunehmen. In meinem Kopf wächst ein sicherlich naives Traumbild: Stück für Stück wird ein Ort geschaffen, an dem man dem Lärm der Stadt entkommen kann und den Kopf frei bekommt. Die Kombination der verschiedenen Pflanzen birgt fast das ganze Jahr über verschiedene Freuden für alle Sinne. Die harte Arbeit erledigt sich in wunderbarer Gemeinschaft fast schon von alleine.

Natürlich wird es in Realität alles nicht ganz so rosig aussehen. Der Prozess um Konzeption, Aufbau und Bewirtschaftung eines urbanen Waldgartens birgt wahrscheinlich ungeahnte Herausforderungen und Durststrecken. Aber ich bin mir sicher: Es lohnt sich.

Willkommen und Abschied – Ein Résumé und einige Pläne

Zum ersten Mal seit langem haben wir zwei Praktikantinnen gleichzeitig im Büro. Lena und Sophia nutzten das – bei Kaffee auf dem Gehsteig sitzend – für ein Gespräch über Erfahrungen, Erwartungen, Zukunftspläne und Résumés. Lena, nach ihrem erfolgreichen Praktikum bereits vollständig mit der Arbeit bei Urbanizers vertraut, reicht wertvolle Überlebenstipps und Ratschläge für eine möglichst gut genutzte und lehrreiche Zeit an die neuankommende Sophia weiter. Nach umständlicher Aktivierung der iPhone-Aufnahmefunktion ereignete sich folgender Schlagabtausch.

S: Erzähl mir doch mal was über deine letzten Wochen hier bei Urbanizers.

L: Meine Zeit hier war sehr abwechslungsreich. Ich würde sagen, ich habe sehr viel gelernt. Das ging vom wissenschaftlichen Schreiben, was nah mit meinem Studium zutun hatte, über die Organisation von Beteiligungsveranstaltungen bis zur Wahrnehmung von Auswärtsterminen zusammen mit Auftraggeber:innen. Es war insgesamt inhaltlich sehr dicht und hat total Spaß gemacht.

S: Was hat dir am Besten gefallen?

L: Ich glaube das ist tatsächlich das, was mir am Besten gefallen hat: dass es überhaupt nicht langweilig wurde, weil ich so viele verschiedene Aufgaben hatte. Und ganz besonders toll waren natürlich schon die Auswärtstermine und das „im Feld sein“.

S: Was würdest du einem Neuankömmling wie mir raten?

L: Ich würde dir zu allererst raten, alle deine Vorstellungen, die man so an eine typische Praktikumsstelle hat, über Board zu werfen, weil typische Praktikant:innenarbeit – wie kopieren, Kaffee kochen, … – solche Sachen wirst du hier nicht machen. Stattdessen würde ich dir raten, einfach total offen zu sein und dir zu überlegen, was DU gerne machen möchtest, wo du dich einbringen möchtest. Hier findet sich auf jeden Fall ein Rahmen, um eigene Ideen zu verwirklichen.

S: Und was machst du jetzt als nächstes?

L: Ich bin tatsächlich in das Praktikum gestartet mit der Hoffnung, ein Thema für meine Masterarbeit zu finden. Ich habe zwar kein festes Thema gefunden, aber ich habe diverse Inspirationen gefunden und daran anknüpfend werde ich mich jetzt in die weitere Recherche für meine Masterarbeit stürzen.

S: Viel Erfolg dabei!

L: Dankeschön! Du bist ja für das Praktikum extra von Lüneburg nach Berlin gekommen, was ist dein erster Eindruck von der Stadt und worauf freust du dich besonders?

S: Mein erster Eindruck ist ein bisschen überfordernd. Lüneburg hat nur ca. 70 Tsd. Einwohner:innen, ist also wirklich sehr klein. Aber ich mag es total gerne, dass Berlin so groß ist und man viele verschiedene Möglichkeiten hat, was man machen kann. Jetzt nur auf die Stadt bezogen freue ich mich besonders, an den Wochenenden die Parks zu erkunden, in Museen zu gehen, verschiedene Veranstaltungen zu nutzen, bei Demos mitzulaufen – Sachen zu machen, die es in Lüneburg nicht gibt.

L: Im Praktikum geht’s ja auch immer darum, neue Sachen auszuprobieren und Dinge zu lernen – Was möchtest du bei Urbanizers lernen, was du bislang noch nicht verwirklichen konntest?

S: Mein Studium der Kulturwissenschaften ist sehr theoriebasiert und deswegen freue ich mich in die Praxis zu gehen; Konzepte zu erstellen, Methoden anzuwenden und mit Leuten „im Feld“ in Kontakt zu kommen. Alles was man eben in so einem theoriebasierten Studium nicht macht.

L: Das wirst du auf jeden Fall machen können. Und im Zweifel kann auch immer ein Kollege oder eine Kollegin helfen. Das wäre vielleicht auch noch ein Tipp für „Was ich einem Neuankömmling raten würde“ – bei Unsicherheiten einfach das Wissen der Kolleg:innen abschöpfen.