Bleibt zuhause!

Seit Wochen dominiert dieser Appell den politischen Diskurs, die Berichterstattung und die sozialen Medien. Überlegungen zu den Auswirkungen, die die Corona-Krise auf unser Zuhause hat, sind bisher allerdings Randnotizen geblieben. Die aktuellen Beschränkungen des sozialen Lebens führen jedoch nicht nur zu Veränderungen des öffentlichen Raums, sondern eben auch des privaten. Während das Fitnessprogramm nun im Wohnzimmer stattfindet und sich die Küche per Videokonferenz in eine virtuelle Bar verwandelt, ist das Zuhause für viele in diesen Tagen mehr denn je ein Ort der Arbeit. Dabei verlagern sich die ohnehin beweglichen Grenzen zwischen Öffentlichem und Privaten neu. So ist der Blick mit der Webcam des Bürocomputers hinein in die Wohnungen der Kolleg*innen Teil eines neuen Arbeitsalltags geworden.

Ich selbst habe die Heimarbeit bis heute vermeiden können und bin, weil das immer noch möglich war und ist, weiterhin ins Büro gekommen. Warum? Mein Zuhause ist mein persönlicher Rückzugsort. Nur ungern möchte ich dort arbeiten. Außerdem vermittelt mir mein gewohntes Arbeitsumfeld ein kleines bisschen Normalität, wenn doch eigentlich alles anders ist. Trotzdem hätte ich jederzeit ins Homeoffice umziehen können, denn ich habe ein sicheres Zuhause, wo ich mit ausreichend Platz ungestört meinen Aufgaben nachgehen kann. Was jedoch ist mit denjenigen, denen das nicht möglich ist? Wo Eltern das Arbeitszimmer fehlt und Kinderbetreuung und Heimarbeit nun gleichzeitig zu bewältigen sind? Was ist mit denen, deren dunkle Wohnungen keine Balkone oder nur winzige Hinterhöfe bieten, um mal kurz Pause an der frischen Luft zu machen? Und was ist mit denen, die kein sicheres oder gar kein Zuhause haben?

Zuhause zu bleiben als Maßnahme gegen die Pandemie folgt einer bürgerlichen Idee der eigenen vier Wände und ist nur schwer umzusetzen, wenn die eigene Wohnung beengt und kein Ort der Sicherheit und Gesundheit ist. Die aktuelle Politisierung des Zuhauses verlangt daher nicht nur Investitionen in Sozialprogramme zur Bekämpfung gesellschaftlicher Schieflagen, sondern jetzt erst recht auch die Versorgung aller Menschen mit ausreichendem, gesundem und bezahlbarem Wohnraum. Darüber hinaus müssen wir uns die grundsätzliche Frage stellen, wo wir die (neuen) Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem ziehen möchten. Wie viel unseres privaten Raums möchten und können wir öffentlich machen, ohne unser Zuhause als persönlichen Rückzugsort zu gefährden?

Späti vs. Trinkhalle, Teil II

Fortsetzung zu Teil I: In Teil II beleuchtet Marie Köhler zwei weitere Aspekte in ihrem Abwägungsprozess.

 

Stadtgrün
Der graue Kohlepott ist grüner, als viele Menschen denken. Ob Essen jedoch grün genug für den Titel „Grüne Hauptstadt Europas“, den es im Jahr 2017 erhielt, ist, bezweifle ich immer noch. Der Süden der Stadt mit dem Stadtwald und dem Baldeneysee ist zwar wunderschön und überrascht viele Leute, die zum ersten Mal nach Essen kommen. Dennoch wohnt der Großteil der Essener Bevölkerung eher an der A40 oder einer anderen viel befahrenen Straße als am See oder in der Nähe eines Parks.

Parks gibt es in Berlin viele. Vor allem der große Tiergarten im Zentrum der Stadt bietet Erholungsmöglichkeiten mitten in der Großstadt. Und auch mit dem grünen Umland kann Berlin punkten.

Doch auch in Berlin ist „Grün in der Stadt“ eine Charta für das Berliner Stadtgrün ein Thema, das weiterhin von großer Wichtigkeit für die Stadtplanung sein sollte – einer der Arbeitsschwerpunkte bei Urbanizers.

Mieten
Hier muss nicht viel gesagt werden. Dieser Punkt geht ganz klar ans Ruhrgebiet. Von dem bezahlbaren Wohnraum, der in Essen verfügbar ist, können Wohnungssuchende in Berlin nur träumen. Umso wichtiger, dass Neubauvorhaben, die entsprechenden bezahlbaren Wohnraum in Berlin schaffen und nicht gewinnorientiert sind, Unterstützung finden. Auch im Praktikum begegnete mir dieses Thema sehr oft – so half ich zum Beispiel bei der Organisation einer Informationsveranstaltung zu einem Neubauvorhaben einer landeseigenen Wohnbaugesellschaft.

 

Lest bald in Teil III, ob Marie sich zwischen Trinkhalle und Späti entscheiden können wird.

Auf Wohnungssuche.

Unser Kollege Alessandro lässt seine Erlebnisse in unserer Stadt Revue passieren.

Rückblende: Prenzlauer Berg, 2017. 3 Zimmer Küche Bad, Altbau. Miete: unter 1000 Euro Kalt. Zum Besichtigungstermin kamen mehrere hundert Leute (laut Focus Online 800). Ich hätte auf meiner Wohnungssuche einer davon sein können – aber das Angebot schien mir schier utopisch! Was bedeutet das für eine Stadt wie Berlin und ihrer Wohnraumpolitik? Wahrscheinlich nichts Gutes.

Der Wohnungsmarkt in Berlin ist so heiß, dass er fast kocht. Das scheint auch der globalen Wohnungswirtschaft nicht entgangen zu sein: Berlin ist gleich nach New York die beliebteste Stadt für ausländische Investore:innen – noch vor London, Los Angeles und San Francisco (Association of Foreign Investors in Real Estate afire 2017). Warum ist das so? Die Antwort ist einfach – die Renditeerwartungen für Eigentümer sind extrem hoch. Die Bestandsgebäude sind vergleichsweise kostengünstig zu erwerben und mit den Mieten können schnell Gewinne erwirtschaftet werden. Außerdem ist Berlin trendy, sexy, hip – die Bevölkerung ist in den letzten Zehn Jahren um 10 % gestiegen, der Neubau hinkt hinterher – und daraus resultiert ein enormer Druck auf den Wohnungsmarkt, der sich in den Mietpreisen widerspiegelt.

Ich habe mich ein halbes Jahr auf den Markt geschmissen, war auf unzähligen Wohnungsbesichtigungen, habe mich bei Eigentümer:innen, Vermieter:innen, Hausverwaltungen und Makler:innen eingeschleimt und bei zustimmenden Gesprächen mit Ihnen über den katastrophalen Wohnungsmarkt – und dass sie ja die Guten wären – meine Selbstachtung verloren. Fragwürdige Deals gab es zu genüge. Seit gut sechs Monaten bin ich nun Kreuzberger, SO36 – ein kleiner großer Traum von mir. Den Quadratmeterpreis von knapp 17 € habe ich dafür nach zahllosen Absagen akzeptiert. „Irgendwo muss ich ja wohnen, oder?“ rechtfertige ich mich vor allem vor mir selbst. Das ist nicht das Kreuzberg aus meinen Träumen – ich schäme mich sogar dafür!

Ich bin Student, Stadtforscher, kritisch – und nun selbst Teil dieser so allgegenwärtigen Transformation. Ein schmerzhaftes Dilemma.