Egal ob christlich oder nicht – für viele von uns war der Aschermittwoch auch 2020 ein Anlass für gute Vorsätze. 40 Tage ohne Alkohol, ohne Fleisch, ohne Schokolade oder mit einer Einschränkung der Bildschirmzeit: Irgendeine Art von Verzicht schien angesagt in unserer Überflussgesellschaft. Kaum jemand hätte sich träumen lassen, dass wir am Ostersonntag mitten in einer neuen Fastenzeit sitzen: Mindestens noch bis zum 19. April verzichten wir auf soziale Kontakte, die doch eigentlich konstitutiv für unsere Vorstellung von Urbanität sind. Die Stimmen nicht mehr nur in den Feuilletons und Fachmedien mehren sich, die vor einer lang andauernden Einschränkung der Funktionsfähigkeit unserer Städte warnen.
Geschlossene Geschäfte und Restaurants, fehlende Kinobesuche und ausfallende Fußballspiele sind allerdings – ohne ihre wirtschaftlichen Folgen kleinreden zu wollen – nicht die größte Bedrohung für das urbane Leben. Im schlimmsten Fall wird die Corona-Krise innerhalb weniger Monate gesellschaftliche Ungleichheit, an deren Bekämpfung auch die integrierte Stadtentwicklung seit Jahrzehnten arbeitet, für weitere Jahrzehnte zementieren. Wie viele „Ankunftsquartiere“ sind so dicht besiedelt, dass Social Distancing zur physischen Unmöglichkeit wird? Wie viele Kinder haben Zugang zu den schleppend in Gang gekommenen digitalen Lernräumen allenfalls am Smartphone-Bildschirm des Vaters in der Küche einer zu sechst bewohnten Dreiraumwohnung? Wie viele Eltern (nicht nur) in peripheren Kleinstädten arbeiten zum Mindestlohn in nicht systemrelevanten Bereichen und werden – vielleicht mit dem Umweg über die Kurzarbeit – in die Arbeitslosigkeit geschickt?
Die notwendigen Investitionsprogramme und Konjunkturpakete könnten genutzt werden, um hier gezielt gegenzusteuern. Soziale Stadtentwicklung kann einen Beitrag zur Bedarfs- und zur Chancengerechtigkeit leisten, wenn sie entsprechend ausgestattet ist und zur politischen Priorität wird. Am Ende dieser ungeplanten Fastenzeit wird urbane Teilhabe für alle wichtiger denn je.