Regierungsbauten könnten Grün vertragen

Lea Brinkmann, 5. Februar 2021

Praktikum bei Urbanizers. Ich war schon einige Male in der Hauptstadt, doch ihre Größe hatte ich dann doch unterschätzt. So kam es, dass ich am Ostkreuz wohnte und jeden Tag quer durch die Stadt ins Büro nach Wilmersdorf fuhr. Die 15 Kilometer lange Fahrradstrecke erwies sich im winterlichen Stadtverkehr auf Dauer etwas ungemütlich. Dass ich deshalb auf die S-Bahn umstieg, war zwar gerade in Corona-Zeiten nicht unbedingt das Angenehmste. Die tägliche Sightseeingtour entlang der Ost-West-Achse machte jedoch einiges wieder gut.

In meinem Praktikum bei Urbanizers begegnete ich dem Thema Urbanes Grün. Mit urbanem Grün sind in Städten „alle Formen grüner Freiräume und begrünter Gebäude“ gemeint. Es hat viele Funktionen und Potenziale, etwa die Verbesserung des Stadtklimas, die Sicherung des Lebensraums von Tieren und Pflanzen und es trägt zu einem gesunden und zufriedenstellenden Lebensumfeld für Bewohner:innen bei. Urbanizers forscht und arbeitet in vielen Projekten zu diesem Thema, etwa bei der Umsetzung des „Weißbuch Stadtgrün“, das zehn „konkrete Handlungsempfehlungen und Umsetzungsmöglichkeiten des Bundes für mehr Grün in unseren Städten“ beinhaltet. Als fünfte Maßnahme wird darin die Begrünung von Bauwerken genannt. Diese hilft, die Folgen des Klimawandels zu mindern, indem sie zur Vernetzung urbaner Grünflächen beiträgt, Biodiversität und Artenvielfalt schützt und so auch das städtische Klima positiv beeinflusst. Als neunter Punkt wird das Ausbauen der Vorbildfunktion des Bundes genannt. Der Bund als größter Immobilieneigentümer Deutschlands birgt großes Potenzial, mit gutem Beispiel vorauszugehen. Es gibt bereits den „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“ des Bundes und als Ergänzung dazu auch das BNB, das Bewertungssystem des nachhaltigen Bauens, die in der Regel bei öffentlichen Bauvorhaben angewendet werden.

Während meiner Zeit in Berlin begann ich verstärkt darauf zu achten, wo die verschiedenen Aspekte des urbanen Grüns in der Stadt zu sehen sind. Meine täglichen S-Bahnfahrten führten mich etwa auch am Regierungsviertel vorbei. Das Regierungsviertel ist nicht „ungrün“, dort wurden von 1999 bis 2001 zum Beispiel 600 Spree-Eichen gepflanzt. Doch die Bauten selbst spiegeln die Begrünungsziele des Bundes noch nicht wider. Das Kanzler:innenamt ist zum Teil begrünt und das ist super, doch auch der größte Teil des Gebäudes zeigt nackte Wände. Die Begrünung der Bauwerke im Regierungsviertel ist also noch stark ausbaufähig.

Wenn ein Bauwerk begrünt wird und nicht nur seine Umgebung, wird es selbst zu einem Bestandteil der urbanen Grünlandschaft. Außerdem ist es auffällig, wenn Grün nicht nur auf dem Boden, sondern auch an und auf Gebäuden zu sehen ist. Es führt allen das Ausmaß der Maßnahmen vor Augen, die notwendig sind, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Wenn Orte mit einer starken Wirkung und einer großen Bedeutung wie das Berliner Regierungsviertel damit anfangen würden, wäre das ein wichtiges Signal. Dass die Vorbildfunktion des Bundes ausgebaut werden soll und dies auch im Weißbuch festgehalten wird, ist deshalb ein sehr guter Ansatz.

Durch mein Praktikum bei Urbanizers und meine täglichen S-Bahnfahrten habe ich einen anderen Blick auf die Stadt entwickelt. Ich habe ganz bewusst nach urbanem Grün Ausschau gehalten, habe es an einigen Stellen in großem Umfang gefunden und an anderen vermisst. Urbanes Grün und vor allem die Begrünung von Bauwerken bleibt ein Themenfeld, in dem es noch viel zu tun gibt. Aber wer weiß: Vielleicht können die S-Bahn-Passagiere und auch alle anderen ja eines Tages einen begrünten Reichstag bestaunen.